Diese offene Sammlung an Auszügen und Zitaten zu den „Values of the Humanities” entstand im Rahmen des breiten Rechercheprozesses zu diesem Projekt. Sie hilft uns bei der Verortung dessen, was wir unter dem Sammelbegriff „Critical Humanities” meinen.
„Insofern der Mensch als kulturschaffendes Wesen im Mittelpunkt steht, ist die Anthropologie die Grundwissenschaft oder Schlüsselwissenschaft der Humanities.“
Die Geisteswissenschaften aktivieren „kritisches und selbstkritisches Denken, ethisches Bewusstsein, kontextuelle Einordnung, respektvollen Umgang mit unterschiedlichen Kulturen, [...] Bewusstsein für eigenverantwortliches Handeln“.
Monika Litscher
„Die Geisteswissenschaften lassen bewusst werden, dass historisch gewachsene Bedingungen unser Tun prägen, dass Wertungen unumgänglich sind und dass diese nie endgültig sein können.“
Markus Zürcher
Schweizerische Akademie der Geisteswissenschaften
Geisteswissenschaften „befassen sich mit von Kollektiven unterschiedlich wahrgenommenen Welten, wie sie durch Symbole und Zeichen erlebt und vermittelt werden. Analysiert werden dabei das Erfassen, das Einordnen, das Verstehen und Bewerten dieser jeweiligen symbolischen Welt in all ihren Aspekten.“
Schweizerischen Akademie der Geistes-und Sozialwissenschaften (SAGW)
Publikation der Website abouthumanities.sagw.ch. Bern 2016, S. 6.
Geisteswissenschaften zielen auf „die kritische Überprüfung von Vorstellungen, Ideen und sprachlichen Bildern. Sie versuchen, Dogmatik und Ideologie durch kritische Diskussion zu ersetzen und damit Reflexions- und Orientierungswissen zu schaffen. Dieses Wissen ermöglicht es dem Einzelnen, sich selbst eine Meinung zu bilden – eine Grundlage jeder demokratischen Ordnung.“
Markus Zürcher
Schweizerische Akademie der Geisteswissenschaften
„Die Geisteswissenschaften sind der 'Ort', an dem sich moderne Gesellschaften ein Wissen von sich selbst in Wissenschaftsform verschaffen. […] es ist ihre Aufgabe, dies in der Weise zu tun, daß ihre Optik auf das kulturelle Ganze, auf Kultur als Inbegriff aller menschlichen Arbeit und Lebensformen, auf die kulturelle Form der Welt geht, die Naturwissenschaften und sie selbst eingeschlossen.“
Wolfgang Frühwald, Hans Robert Jauß, Reinhart Koselleck, Jürgen Mittelstraß, Burkhart Steinwachs
Geisteswissenschaften heute. Frankfurt am Main 1991, S. 51f. (Ergebnis eines Forschungsprojektes des Wissenschaftsrates und der Westdeutschen Rektorenkonferenz)
„Tatsachen, Theoreme, Werturteile und Regeln: aus diesen drei Klassen von Sätzen bestehen die Geisteswissenschaften.“
(Wilhelm Dilthey)
„Die Geisteswissenschaften helfen den Traditionen, damit die Menschen die Modernisierung aushalten können; sie sind […] nicht modernisierungsfeindlich, sondern – als Kompensation der Modernisierungsschäden – gerade modernisierungsermöglichend. Dafür brauchen sie die Kunst der Wiedervertrautmachung fremd gewordener Herkunftswelten.“
Odo Marquart
Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften. In: Ders.: Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien. Stuttgart 1986, S. 105.
„Die Auratisierung des Zwecks führt zu einer Abwertung sinnvoller Tätigkeiten, zu denen – universitär gesprochen – die Geisteswissenschaften, vor allem auch das Studium generale gehören. Die notwendige Frage: ,Cui bono?’ wird ausschließlich als ein ,Wem-zu-Nutzen’ verstanden und damit sozusagen betriebswirtschaftlichem Denken unterstellt.“
Hermann Glaser
Die Unbildungskatastrophe. Was heißt ,Geisteswissenschaft’ und ,Studium generale’? Zu welchem Ende braucht man sie und wozu ,Bildung’?, in: Robertson-von Trotha, Caroline Y. (Hg.): Schlüsselqualifikationen für Studium, Beruf und Gesellschaft : Technische Universitäten im Kontext der Kompetenzdiskussion, Karlsruhe 2017, S. 73.
„Bildung hatte einst mit dem Anspruch zu tun, die vermeintlichen Gewissheiten einer Zeit ihres illusionären Charakters zu überführen. Eine Gesellschaft, die im Namen vermeintlicher Effizienz und geblendet von der Vorstellung, alles der Kontrolle des ökonomischen Blicks unterwerfen zu können, die Freiheit des Denkens beschneidet und sich damit die Möglichkeit nimmt, Illusionen als solche zu erkennen, hat sich der Unbildung verschrieben, wie viel an Wissen sich in ihren Speichern auch angesammelt haben mag.“
Konrad Paul Liessmann
Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft. Wien 2006, S. 175.
„Nach wie vor kommt es [...] auf den Eros an, den Drang nach Erkenntnis und schöpferischer geistiger Tätigkeit. Die Geisteswissenschaften können ihm im besonderen Maße genügen, da sie mit ihrer hermeneutischen Methode hauptsächlich auf ein Verstehen des menschlichen Daseins ausgerichtet sind und sich um Sinngebung bemühen. Natürlich sind sie in Phänomenologie fundiert: Was hinter den Dingen steckt, lässt sich nur ergründen, wenn man die Dinge selbst beachtet.“
Konrad Paul Liessmann
zit. nach Hermann Glaser: Die Unbildungskatastrophe. Was heißt ,Geisteswissenschaft’ und ,Studium generale’? Zu welchem Ende braucht man sie und wozu ,Bildung’?, in: Robertson-von Trotha, Caroline Y. (Hg.): Schlüsselqualifikationen für Studium, Beruf und Gesellschaft : Technische Universitäten im Kontext der Kompetenzdiskussion, Karlsruhe 2017, S. 77.
„Vor dem Hintergrund der Wechselbeziehungen von Mensch und Welt stellt sich Bildung als ein Prozess der Vermittlung zwischen inneren Bedingungen des Menschen und den äußeren, gesellschaftlichen Bedingungen dar, der in eine individuelle Ganzheit persönlicher Fähigkeiten mündet: Die gesellschaftlichen Inhalte der Bildung ergeben sich aus dem Verhältnis des Menschen zur Natur, zur Gesellschaft und ihrer Geschichte sowie aus dem Verhältnis zu den geistigästhetischen Werken der Menschheit (Wolfgang Klafki)."
Hermann Glaser
Die Unbildungskatastrophe. Was heißt ,Geisteswissenschaft’ und ,Studium generale’? Zu welchem Ende braucht man sie und wozu ,Bildung’?, in: Robertson-von Trotha, Caroline Y. (Hg.): Schlüsselqualifikationen für Studium, Beruf und Gesellschaft : Technische Universitäten im Kontext der Kompetenzdiskussion, Karlsruhe 2017, S. 92.
Das „akademische Studium [trägt] primär zur Bildung bei […]. Und natürlich erhofft man sich auch einen besseren Job. Alle Statistiken belegen, dass Geisteswissenschaftler fünf Jahre nach dem Studienabschluss einen genauso guten Job haben wie die Physiker, Chemiker und Architekten dieser Welt. Aber sie haben einen Job, der nicht unmittelbar mit Ägyptologie zu tun hat oder mit Ethnologie. Wenn ein Ethnologe beim Staatssekretariat arbeitet, heisst es in der Schweiz, das sei ein gescheiterter Ethnologe. Nein! Ich halte dagegen: Das ist ein kluger Mensch, der beim Staatssekretariat arbeitet.“
Antonio Loprieno
zit. nach Christoph Heim: "Wir haben zu wenig Geisteswissenschaftler", in: Basler Zeitung, 25.11.2012; Onlinedokument https://www.bazonline.ch/basel/stadt/wir-haben-zu-wenig-geisteswissenschaftler/story/21271697 [08.09.2020].
„In allen Bereichen des Lebens und der Wissenschaft bräuchte man Spielräume, in denen man Fakten und Gedanken verschieden kombinieren und simulieren und die Ergebnisse dann vergleichend prüfen kann (was man ,optimieren’ nennt). Ein Ruckzuck-Verfahren endet häufig im Fix-und-Fertig; es wäre besser, man käme langsamer zu guten und durch Dauerhaftigkeit sich bewährenden Lösungen als rasch zu falschen Reaktionen.“
Hermann Glaser
Die Unbildungskatastrophe. Was heißt ,Geisteswissenschaft’ und ,Studium generale’? Zu welchem Ende braucht man sie und wozu ,Bildung’?, in: Robertson-von Trotha, Caroline Y. (Hg.): Schlüsselqualifikationen für Studium, Beruf und Gesellschaft : Technische Universitäten im Kontext der Kompetenzdiskussion, Karlsruhe 2017, S. 88.
„Die Sprache der Geisteswissenschaft muss aufhören, sich zu verklausulieren. Sie muss einen Essaycharakter annehmen, damit jeder ihr folgen kann, wenn er möchte.“
(Stefan Schulze Beiering)
"Action anthropology [means an] anthropology of practise focussing on the subject acting strategically under conditions of social asymmetry”.
Ina-Maria Greverus
Anthropological Horizons. The Humanities and the Human Practise. In: Anthropological Journal on European Cultures 1,1 (1990), 13-33, hier: 23-24.
“We have a desperate need for other stories, not fairy tales in which everything is possible for the pure of heart, courageous souls or the reuniting of goodwills, but stories recounting how situations can be transformed when thinking they can be achieved together by those who undergo them (…) Histories that bear in thinking together as a work to be done. And we need these histories to affirm their plurality, because it is not a matter of constructing a model but of a practical experiment. Because it is not a matter of converting us but of repopulating the devastated desert of our imagination.”
Isabelle Stengers
Resisting the Coming Barbarism, Lüneburg 2015, S. 132.
"Thinking is a materialist practice. It is not some kind of into the sky, theories from above, but rich materialist inquiring with each other, who and where we are, and so what, the old what is to be done, the question that leads to the Russian Revolution. What is to be done in periods of profound historical and earthly transformation, that are extremely dangerous. I think thinking together, reading and writing and speaking and performing and dancing and growing and risking and working; thinking is a complex materialist practice for somehow coming together to be less stupid!"
Donna Haraway
Virtuellen Eröffnungsfestival „Critical Zones“, ZKM Karlsruhe, 24.5.2020; https://www.youtube.com/watch?v=j-2r_vI2alg [08.09.2020].